«Etablierte Formen über den Haufen werfen»

Konrad Weber Strategieberater

Wie kann die Podcastbranche in der Schweiz erwachsen werden? In einem anderen Beitrag habe ich dazu aufgerufen, dass die Schweizer Podcast-Produzent:innen mutiger und innovativer sein müssen, damit die Branche erwachsen wird. Gute Podcasts entstehen schliesslich nicht einfach so. Jemand, der sich mit Innovation und Wandel in der Medienbranche auskennt, ist der Strategieberater und Coach Konrad Weber. Ich wollte von ihm wissen, wie der Sprung ins Erwachsenwerden aus seiner Sicht am besten funktioniert.

Verglichen mit anderen Medien wie analoges, lineares Radio oder das Fernsehen, sind Podcasts noch sehr jung. Das bringt die Chance mit sich, dass das Medium von ihren Produzent:innen einfacher mitgestaltet werden kann, andererseits birgt es die Gefahr, dass sich das Medium nicht wie gewünscht entwickelt, weil sich keine allgemein gültige Strukturen gefestigt haben. Wo siehst du die grösste Gefahr für ein noch so junges Medium, um sich entsprechend zu entwickeln?

Erstmal ist es ja spannend zu beobachten, wie ein ursprünglich etabliertes Medienformat aktuell eine Renaissance und Neudefinition erlebt. In den Medienhäusern, die ich beraten darf, erlebe ich in dieser Renaissance-Phase aber vor allem viel Uneinigkeit darüber, was denn nun ein Podcast sei. Von Radio-Mitschnitten über originäre Neuentwicklungen ist alles mit dabei. Aktuell sehe ich die grösste Gefahr darin, dass man versucht, alten Wein in neuen Schläuchen anzubieten – und somit die Eigenheiten und Möglichkeiten des Formates nicht ausschöpft. Zudem darf auch die Gefahr der Abhängigkeiten von Plattformen (Spotify, Apple usw.) nicht unerwähnt bleiben: Die Vorherrschaft dieser Player ist unterdessen fast unantastbar mächtig geworden – entsprechend marktdominant können sie über Spielregeln, Erzählformen und Reichweite entscheiden.

Und wo siehst du die Chancen?

Die grösste Chance sehe ich erstmal darin, dass das Format gefühlt täglich neu gedacht werden kann. Wir stecken in einer Phase, in der Gewohnheiten und etablierte Formen über den Haufen geworfen werden können. More of the same sollte dabei nicht als Wegweiser dienen. Ich bin mir aber auch ziemlich sicher, dass Podcasts in den nächsten 2-3 Jahren nochmals anders erklingen, als wir sie heute kennen. Gerade auch mit Fokus auf Interaktivität in Podcasts sehe ich noch viele ungenutzte Möglichkeiten und Chancen.

Wie gelingt das «Erwachsenwerden» der Podcastbranche? Welche Treiber braucht es?

Erwachsenwerden hat ja immer auch etwas mit Unabhängig werden zu tun. Deshalb bin ich überzeugt – und alle Zeichen weisen ja schon stark in diese Richtung – dass Podcasts künftig noch stärker ein eigenes Format unabhängig vom Radio darstellen. Dazu braucht es aber noch deutlich mehr Investitionen in originäre Inhalte und Mut für neue Konzepte und Storytelling-Formen.

Welche Rolle spielen die Podcastproduzent:innen, bzw. die Organisationen in diesem Feld? Wie können sie das Medium Podcasts beeinflussen?

Die Podcastproduzent:innen können das Medium sehr aktiv gestalten, indem sie eigene und neue Ansätze wählen und dadurch die gesamte Branche inspirieren und entsprechend vorwärts treiben. 

Welche Rolle spielen dabei grössere und kleinere Medienhäuser?

Da es nach wie vor schwer ist, Podcasts zu monetarisieren, spielt das Format für viele kleinere Medienhäuser nur bedingt eine entscheidende Rolle. Allerdings: Wer mit einem innovativen Konzept z.B. im Lokalen auffällt, der/die hat die Aufmerksamkeit schnell über den bestehenden Markt hinaus für sich. Bei grösseren Medienhäusern können Podcasts unterdessen kaum im Angebotsportfolio fehlen – vor allem, wenn man als Medienhaus jüngere und Audio-affinere Zielgruppen erreichen möchte.

Wie nimmst du die Podcastbranche in der Schweiz wahr?

Ich nehme in der Schweiz vor allem einige wenige grosse Player (nationale Medienhäuser) wahr plus eine Vielzahl von kleinen Initiativen, bestehend aus einigen – unterdessen ziemlich erfolgreichen – Podcast-Agenturen. Ein starker Push erlebe ich vor allem auch aus Kommunikationsabteilungen von Unternehmen. Im Vergleich zu Deutschland oder gar dem englischsprachigen Raum erlebe ich die Schweiz allerdings noch immer als ziemlich zögerlich, was die Investition in grössere Podcast-Projekte betrifft.

Foto: Adrian Graf.

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